Ich sehe was, was du nicht siehst – Elanus [Rezension]

Ich sehe was, was du nicht siehst – Elanus [Rezension]

Jona ist erst siebzehn, kommt aber wegen seiner Inselbegabung und Intelligenz schon an eine Elite-Universität. Er kennt die Inhalte der ersten Semester schon, möchte die langweiligen Grundkurse der Mathematik überspringen und am liebsten sofort mit technischer Mathematik im fünften Semester anfangen. Als Minderjähriger zieht er bei den Helmreichs ein, die seine Gastfamilie bis zur Volljährigkeit sind. Aber auch so käme ein Studentenwohnheim nicht für Jona in Frage, denn er hat Elanus.

Elanus ist Jonas selbst gebaute Drohne. Er hat die Programme selbst geschrieben, die Technik zusammengebaut und kann Elanus für einen begrenzten Zeitruam (bis der Akku leer ist) steigen lassen und seine gestochen scharfen Kamerabilder live mitverfolgen, aufzeichnen und an der Mikrofonempfindlichkeit drehen. Perfekt, um Menschen zu beobachten! Und das tut er auch. Dabei stößt er auf ein Geheimnis. Er macht sich den Spaß, einen Zettel mit den Worten “Ich kenen dein Geheimnis” bei Personen unterzubringen, und plötzlich scheint es, als seien alle hinter ihm und Elanus her …

Die ersten drei Dinge, die ich nach dem Lesen getan habe:

  1. Marlenes Komfortzonen-Aufgabenliste kopiert
  2. Den Das-Dass-Fehler rausgesucht
  3. Diese Rezension geschrieben

 

Mein Eindruck zu Elanus:

Der Jugend-Thriller Elanus* ist definitiv lesenswert. Er hat viele Stärken und einige Schwächen, die wiederum ziemlich gravierend sind.Bei Elanus handelt es sich um eines dieser typischen Bücher, bei denen der Klappentext nicht zum Buch passt. Die tödliche Gefahr, von der auf dem Buch die Rede ist, nimmt einerseits total viel vorweg, lässt Verdachte wie gestellte Geheimnistuerei wirken und ist überhaupt nicht das zentrale Thema. Es geht um etwas völlig anderes, nämlich darum, ob Jona mit seinen Zetteln einen Tod verursacht hat oder nicht, und ob er, der Spion und Stalker, jetzt paranoid wird oder wirklich in Gefahr ist.

Elanus von Ursula Poznanski, Foto: Kia Kahawa
Elanus von Ursula Poznanski, Foto: Kia Kahawa

Stärken des Buchs:

Ich weiß, im Folgenden kommen viele Schwächen auf den Plan, und ich kann sie mengenmäßig nicht mit Stärken aufwiegen. Dennoch möchte ich betonen: Der Plot von Elanus, der Schreibstil, die Idee und wie alles zusammen passt, ist hervorragend.

Diese Geschichte ist extrem überzeugend, und ist bis auf einen Aussetzer ein absoluter Pageturner. Ich habe das Buch innerhalb einer Woche durchgelesen, obwohl ich in der Woche ein anderes Buch auf dem Plan hatte und daraus auch 300 Seiten gelesen habe. Eigentlich lese ich keine 250 Seiten pro Woche, aber in dieser Woche waren es einfach mal 716 Seiten, denn Elanus verschlingt den Leser einfach so.

Ich war regelrecht süchtig nach diesem Buch. Wenn ich wusste, dass ich bald in den Feierabend gehen konnte, wurde ich regelrecht nervös, weil es dann endlich wieder Binge Reading hieß.

Dieses Buch macht so großen Spaß. Wahnsinn.

Außerdem bin ich nach wie vor in das Buchcover verliebt. Grüne Bücher sind der Hammer, ja, aber es fühlt sich auch gut an. Der Schriftzug “Elanus” sticht hervor, auch die gelbe Linse ist ins Cover geprägt. Ich habe alles an diesem Buch als angenehm betrachtet und bin ein bisschen stolz gewesen, mit diesem coolen Ding in der Bahn zu sitzen und es zu lesen.

Mir haben außerdem die männlichen Charaktere gut gefallen. Der Rektor Schratter macht sich ziemlich rar und wirkt geheimnisvoll, Jonas legt eine herrliche Charakterentwicklung zurück und Pascal ebenso. Während Jona von arrogantem Ekel zu einer ausstehlichen Person wird, wird Pascal von nervig-neugierig-komisch zu herzallerliebst. Dabei erachte ich beide Entwicklungen als glaubwürdig und lesenswert.

Die Frauen in Elanus

Frauen kommen in Elanus eher schlecht weg. Silvia ist eine ängstliche, nervige, unselbstständige Frau, die zwar in der Theorie Immobilienmaklerin ist, in der Praxis aber einfach nur Essen macht, langweilige Tischgespräche führt und regelmäßig als dumm bezeichnet wird.

Linda ist unberechenbar, verschlossen, zickig, hysterisch, gestresst (vielleicht zu Recht), aber verhält sich wie eine klassische Furie, wie sie leider noch 2016 hier Schwarz auf Weiß im Buche steht. Mehr Farbe bekommt der Charakter nicht. Keine Facetten, kein Hintergrund, nur ein bisschen sexualisiert wird sie noch ganz nebenbei.

Die Sekretärin der Universität ist ebenfalls eine Ausgeburt aus der Klischee-Hölle. Pflichtbewusst, still, keine eigene Meinung, keine Bedeutung in irgendwas. Unfähig in ihrem späteren Handeln und nicht wirklich glaubwürdig. Überhaupt nicht glaubwürdig!

Dann kommt Marlene. Sie macht das alles wieder wett. Marlene ist wohl etwas übergewichtig und wurde früher als Nilpferd bezeichnet. Sie ist skeptisch und intelligent, neben ihrer emotionalen Intelligenz eben auch intellektuell. Ich empfand Marlene als treue Freundin, interessante Persönlichkeit, eigenständige Frau und wahnsinnig sympathischen Menschen.

“Ich habe mir einige Zeit lang überlegt, welche Strategie besser zu mir passt”, erklärte sie kauend. “Die Erwartungen der Welt zu erfüllen oder sie einfach an mir abprallen zu lassen. Ich glaube, Zweiteres ist mehr Spaß.” Seite 114

Sie ist eine Top Persönlichkeit, finde ich. Marlene macht wirklich Spaß, um sie sollte sich viel mehr im Buch drehen. Sie hat Witz und Charme, ist eine sau coole Zeitgenössin … Lernt sie einfach kennen!

Einziger Abzug (Ursula Poznanski hat es wohl nicht so mit Frauen): Weil Marlene übergewichtig ist, frisst sie natürlich ständig Torte. Ein Stück in wenigen Happen, zu jeder Gelegenheit ein neues Stück. Klasse Repräsentation. Nicht.

Schwächen des Buchs:

Wirklich schwach empfand ich nur die zusätzlichen Plotschlaufen, die die Handlung in die Länge gezogen haben und die pseudo-spannende Geheimnistuerei von Ursula Poznanski.

Zum einen ist das Buch ein echter Pageturner, wie bereits beschrieben. Nach etwa zwei Dritteln aber wirkt es, als hänge sich die Handlung auf. Der Plot bekommt ein paar weitere Schleifen, Ruhe- und Spannungsphasen. Der Leser wird von neuen Geheimnissen und Entdeckungen genervt, all diese Verdachte werden langsam zu viel, unauthentisch und schlichtweg nervig.

Ich sage mal, etwa 40 Seiten musste ich mich durch Elanus durchquälen. Man hat richtig gemerkt, dass das Buch gefüllt werden musste, Kürzen im Lektorat schwierig oder abgelehnt war. Es wirkte, als täten die Figuren auf der Bühne gewisse Handlungen, hielten inne und schauten zum Publikum um zu überprüfen, ob das Publikum gerafft hatte, was geschah. Sobald ein “aaah” und “oooh” aus dem Publikum kommt, taten sie die nächste völlig offensichtliche und in ihrer Geheimnistuerei langweilige Sache.

Geheimnistuerei

Dazu kommt die Geheimnistuerei. Es geht mir extrem auf den Keks, wenn eine Figur etwas  erfährt und daraus seine Schlüsse zieht. Drei Buchseiten voller Verschleierung und Andeutung folgen. Die Figur hat einen Plan und tut alles, was dafür nötig ist. Drei Buchseiten folgen, in denen der Leser nicht etwa selbst mitdenken oder raten kann, welchen Plan die Figur hat – auf diesen Seiten werden geheimnissvolle Gespräche geführt oder belauscht, und wie durch Zufall kann Jona natürlich nie alles verstehen. Da ist die Audioqualität perfekt, aber eine Person redet immer sehr leise. Menschen stehen hinter ihm, brüllen ihm hinterher, aber er versteht natürlich nur Buchteile. Immer. IMMER!

Das alles sind Stilmittel, die den Leser bei Laune halten und in einem Thriller sicherlich für Spannung sorgen. Aber ich hätte es schön gefunden, diese Stilmittel 7 – 12 Mal in Elanus vorzufinden, statt auf den 416 Buchseiten gefühlte 300 Mal.

“[…] – wenn da nicht das Gespräch gewesen wäre, dass er kurz zuvor mit angehört hatte.” Seite 220

Last but not least bleibt mir übrig, den obligatorischen das-dass-Fehler anzukreiden. Diese Fehler springen mich einfach an, ich muss darauf rumreiten. Ha ha, eines Tages ergeht es mir wie Jona, jemand findet einen das-dass-Fehler in einem meiner Bücher und haut mir das dann doppelt und dreifach um die Ohren.

Die Innengestaltung von Elanus von Ursula Poznanski, Foto: Kia Kahawa

Hochbegabung etwas unauthentisch

Zu Beginn von Elanus ist Jona ultra unsympathisch. Er ist hochnäsig, überheblich, ekelhaft und bringt sich in die schlimmsten Phasen. Er ist berechenbar, vielleicht ein Soziopath, ein Narzisst. Irgendwas Schlimmes. Ich habe beim Lesen inständig gehofft, dass das nicht Ursula Poznanskis Bild eines Hochbegabten ist, denn dann hätte ich mich beleidigt gefühlt und Elanus lange nicht so gut bewertet, wie ich es jetzt getan habe.

Denn sobald Jona merkt, dass seine Handlungen Konsequenzen nach sich ziehen, verändert er sich. Aus dem Anti-Held wird ein medium sympathischer Typ, seine Handlungen sind teils nachvollziehbar, teils unlogisch für jemanden, der ach-so-hochbegabt sei.

An einigen Stellen im Buch merkt man, dass die Autorin Jonas Hochbegabung nicht konsequent durchziehen konnte, um den Plot spannend zu halten, was mich ein bisschen genervt hat. Vielleicht liegt das daran, dass ich als selbst Betroffene gleich gekränkt bin und auch die überzogene Darstellung seiner mathematischen Fähigkeiten zum Ende hin sinnlos fand. Wenn Jona sich nicht in der Uni befindet und nichts mit Mathe am Hut hat, muss der Erzähler nicht bei den kleinsten logischen Dingen behaupten, in Jonas Gehirn setzten sich die Variablen und Formeln neu zusammen, und plötzlich begreife er … Nein, er hat logisch gedacht wie jeder Mensch mit einem normalen IQ von 120 oder so.

Mein Fazit zu Elanus von Ursula Poznanski:

Elanus von Ursula Poznanski* macht Spaß zu lesen. Dieses Buch ist zum größten Teil ein Pageturner, kommt mit viel Spannung und einer interessanten Geschichte daher. Trotz der Schwächen halte ich dieses Buch für ziemlich gut– und ich “fürchte”, Ursula Poznanski hat noch so einige Bücher dieses Kalibers auf Lager.

Wer mit den oben genannten Schwächen zurechtkommt, sollte dieses Buch unbedingt kaufen und lesen!

Eigentlich habe ich Elanus mit vier Sternen bewerten wollen, aber es sind beim Schreiben dieser Rezension doch schon einige Schwächen zusammengekommen. Die Hochbegabung, die Frauenfiguren, die Geheimnistuerei – ich ziehe fairerweise für jede dieser drei nervigen Schwächen einen halben Stern ab. Es ist sicher nicht das letzte Mal, dass ich Poznanskis Werke lese, also geben wir der Autorin Raum nach oben. Jetzt habe ich Bock auf Thalamus.

Willst du mehr von Kia lesen? Hier kommst du zu all ihren Rezensionen.

 

Weitere Eindrücke zu Elanus:



Elanus

Ursula Poznanski

Thriller Jugendbuch
Paperback, 416 Seiten

erschienen bei Loewe

22. August 2016

ISBN 978-3-743200111

 

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3 Replies to “Ich sehe was, was du nicht siehst – Elanus [Rezension]”

    1. Rechtschreibfehler? Wooo? Nein! Kann ja gar nicht sein! 👀
      Also zwei Stunden nach deinem Kommentar ist da gar kein Fehler mehr, du musst dich verguckt haben 😇😇😇 (Danke!)

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