Wie wichtig ist Figurentiefe? – Pixeltänzer

Wie wichtig ist Figurentiefe? – Pixeltänzer

Beta arbeitet in einem Start-up, in dem alle motiviert und begeistert von ihrer Arbeit sind. Sie widmet sich eher ihrer Freizeit, in der sie Insektenmotive mit dem 3D-Drucker ausdruckt und alle Berliner Eisdielen testet. Durch eine App, mit der man durch Anrufe von Fremden von überall auf der Welt geweckt wird, wird sie auf den User Toboggan aufmerksam. Statt normal zu chatten, kommunizieren sie über Quellcodes, QR-Codes und auf andere nerdige Weisen.

Die ersten drei Dinge, die wir nach dem Lesen getan haben:

  1. Matthias hat einen Star-Trek-Comic gelesen
  2. Magret dachte an Matthias, der das Buch so gelobt hatte
  3. Die beiden fanden, dass sich die WhatsApp-Diskussion hervorragend eignen würde, um sie als gemeinsame Rezension zu zeigen!

Unser Eindruck zu Pixeltänzer:

Magret: Hallo Matthias! Du hattest den Pixeltänzer doch so gefeiert. Warum? Würde mich interessieren. Ich fand das Buch nämlich nicht so gut.

Matthias: Du achtest auf ganz andere Dinge beim Lesen. Meine Mutter mochte es auch nicht. Es ist auf mancher Ebene nicht besonders umwerfend, aber auf etlichen anderen schon.


 Magrets Eindruck:

Ja! Dem kann ich vollkommen zustimmen. Ich finde es sehr experimentell und das liebe ich immer. Auch die Textart ist toll und der Schreibstil. Die kleinen Elemente, sogar das Thema. Das Buch geht ausschließlich um die Sache, nicht um die Figuren. Boah, hat mich das aufgeregt.

Matthias‘ Eindruck:

Am Ende geht es um Prioritäten. Story und Figur fand ich auch nicht stark, aber alles “Literarische” mochte ich umso mehr, und das ist mir meist wichtiger.

 

Stärken des Buchs:


 Magret meint:

Eigentlich suche ich genau solche Bücher, die eine sprachliche Gewalt sind und Experimente wagen.  Andersherum finde ich nämlich meistens, dass andere Ebenen und der Spiel mit Sprache zu oft fehlen. Ich fordere beides und das macht es den Büchern schwer.

Matthias meint:

Mir reichen bestimmte Elemente in Büchern: gute Sprache oder technische Feinheiten oder gute Identifikation mit den Figuren. Alles zusammen ist super selten. Die Kritik an Pixeltänzer war zu vernachlässigen in meinen Augen. Erzähltechnisch ist das Buch extrem spannend: Wir haben Geschichten in Geschichten, Experimente mit neuer Technologie (3D-Drucker, Kamerafisch) und neuen Textformen (Websites, Apps, Quellcode), die aus Bequemlichkeitsgründen von vielen Autor*innen totgeschwiegen werden, und die spannende Suche nach dem User Toboggan und dem Ursprung des Namens, die man komplett per Google und über die mitgelieferten Links nachverfolgen kann.

 

Schwächen des Buchs:


 Magret meint:

Mich stört die ziellose Sabotage. Sie will nichts anders oder besser haben, sie ist einfach nur dagegen. Und mich stört, dass sie als Figur vollkommen irrelevant ist. Man erfährt nichts über Gefühle oder Beweggründe, man kann nicht mal schätzen. Nur zugucken, wie sie Blödsinn macht, der andere ärgert.

Matthias meint:

Ich glaube, Pixeltänzer ist ein Buch, das zu großen Teilen designt ist für Buchpreise, zumindest wirkt es so. Damit hatte Berit Glanz ja auch Erfolg und hat einiges abgeräumt, sogar schon vor der Veröffentlichung. Sie schreibt eher intellektuelle Literatur, technisch sehr anspruchsvoll und modern. Keine Unterhaltung für die breite Masse.

Magret: Und das ist der Knackpunkt.Ich finde, man kann beide Elemente vereinen.Es hätte ihren Text nicht schlechter gemacht, wenn sie Figurenwachstum und -tiefe eingebaut hätte.Im Gegenteil, es hätte den Zugang erleichtert und das Lesen angenehmer gemacht. Aber wahrscheinlich ist genau das verpönt in gehobener Literatur. Die Lektüre MUSS wohl schwer sein. Ok, jetzt bin ich sauer.

Matthias: Man kann die Sabotage auch als Spielerei verstehen, als Suche nach mehr, vielleicht nach einer Bedeutung, die über Style und Geschäftserfolg ihrer Umgebung hinausgeht. Die Figurentiefe muss man aktiv suchen. Hier kann ich aber schlecht argumentieren, weil mir andere Dinge viel wichtiger waren. Ich selbst hatte kein Problem mit dem Zugang zum Buch und empfand es nicht als „schwer“.

Pixeltänzer Buchcover: Foto Matthias Thurau

Unser Fazit zu Pixeltänzer:

Matthias: Pixeltänzer hat mir trotz einiger Kritikpunkte sehr gefallen. Man muss sich allerdings auf das Buch und seine Vorzüge einlassen können, also Spaß haben an literarischer Spielerei und erzähltechnischen Kunststücken. Im Nachhinein erscheint mir Pixeltänzer – und wir sollten nicht vergessen, dass es sich um das Debüt der Autorin handelt – als lange Suche und der freigelassene Kamerafisch im trüben Fluss als passendes Bild dafür.

Magret: Durch den Pixeltänzer hab ich gelernt, dass ich Bücher brauche, in denen es um eine Figur geht. Ich glaube, wenn es kürzer wäre, würde sich die fehlende Figurentiefe ausgleichen. So 100 Seiten kürzer. Aber immerhin ist es ein Buch, aber das man gut diskutieren kann. Das ist ein Pluspunkt.

Und weil man mit Matthias so gut über Literatur reden kann, wird es von ihm beim Buchensemble nun häufiger Rezensionen geben. Willkommen bei uns, Matthias!

Du willst mehr von Matthias und Magret lesen? Hier gelangst du zu Magrets Rezensionen. Unseren Neuzugang Matthias findest du hier.



Pixeltänzer

Berit Glanz

Gegenwartsliteratur
Hardcover, 256 Seiten

erschienen bei Schöffling & Co.

30. Juli 2019

ISBN 978-3-895611926


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2 Replies to “Wie wichtig ist Figurentiefe? – Pixeltänzer”

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