Meister des vergebenen Potentials – Die Perlen der Bajar [Rezension]

Meister des vergebenen Potentials – Die Perlen der Bajar [Rezension]

Nikolai Oleander bekommt per Post ein Buch zugeschickt. Als er hinein schreibt, findet er sich jedoch plötzlich in einer völlig fremden Welt wieder – oder in einem ganzen Universum von Welten. Denn Nick ist ein Bajar, ein Weltenerschaffer und Weltenspringer. Für jede Welt gibt es eine Perle, mit deren Hilfe man dorthin gelangen kann. Doch bevor Nick auf Akademia lernen kann, wie er seine Kräfte einsetzen kann, gerät plötzlich das Gleichgewicht der Welten aus den Fugen. Nun liegt es an ihm und seinen Freunden, den Bösewicht ausfindig zu machen und das Überleben der Welten zu sichern.

Die ersten drei Dinge, die ich nach dem Lesen getan habe:

  1. Baden gehen (ich war am Strand).
  2. Ein anderes Buch zur Hand nehmen.
  3. Überlegen was ich in diese Rezension schreiben soll, um mein Problem mit diesem Buch möglichst objektiv wiederzugeben.

Mein Eindruck zu Die Perlen der Bajar:

Die Farbe des Covers war nicht ansprechend. Auch das restliche Coverdesign war nicht ansprechend. Der Klappentext war … so lala. Aber: ich habe den Autor auf der Buch Berlin lesen gehört und auch, wenn ich die halbe Lesung dank schlimmsten Hustenanfällen verpasst habe (tut mir leid nochmal an alle anderen die da waren, ich bin ja eh raus gegangen), war es gut. Also dachte ich: geben wir dem Buch eine Chance! Und tatsächlich, ich hatte das Buch schnell durchgelesen. Nur, ja …

Also ich bin mir wirklich nicht sicher, was ich von diesem Buch halten soll. Einerseits war die Idee wirklich gut. Im Ernst. Dieses Buch hätte wirklich großartig werden können, eine neue “Unendliche Geschichte” (ich mein allein der Name: Nikolai Oleander!), ganz viel Potential, aber dann … die Umsetzung! Wo fang ich bloß an…

Stärken des Buchs:

Fangen wir bei den Grundlagen an. Die Idee, dass Welten erst geschaffen werden müssen und dass viele von ihnen parallel existieren und wie die Welten Gleichgewichte brauchen, um bestehen zu können: Hammer! Die ganze Idee der Akademie mit den Regalen für die Weltenbücher und die Perlen, dazu die Weltenbildungsseminare – genau so muss das sein! Alles mit viel Liebe geschildert, durchdacht, detailliert dargelegt; dann noch eine Mitteilung für uns zum Mitnehmen, diese Relevanz für die Gesellschaft, die Welt und unseren Umgang mit beidem. Großartig. Nur dann… dann…

Schwächen des Buchs:

Mein erster Kritikpunkt sind die Charaktere. Nick und seine Freunde sind zwar sympathisch gebaut, aber irgendwie sehr platt und – das Hauptproblem – nicht ihrem Alter entsprechend! Nick ist siebzehn Jahre alt, verhält sich aber wie zwölf bis maximal vierzehn. Dafür, dass er fast erwachsen ist, ist er sehr naiv, kindlich und auch, wenn der Charakter absichtlich nicht als großer Kämpfer angelegt ist (ist ja okay, muss ja nicht jeder der hübsche Muskelprotz sein), wirkt er sogar dafür zu schwach. Besonders problematisch fand ich dabei einerseits die einzige Kussszene in dem Buch, die auch unter Berücksichtigung seiner schüchternen Art wirklich sehr, sehr kindlich keusch war: mein erstes Küsschen in der Volkschule mit anschließendem “Willst du mit mir gehen” war da aufregender.

Für siebzehn und (von mir aus auch prä-)pubertär daher sehr, sehr alters-unadäquat und unrealistisch, egal wie schüchtern Nick ist. Andererseits sehr störend war auch der großartige Endkampf, bei dem Nick einfach nichts tut! Also er tut schon was. Er – ACHTUNG SPOILER – läuft und läuft davon, klettert vor Panik auf einen Baum und der Endboss erledigt sich inzwischen einfach versehentlich selbst. Hätte er ihn nicht mit seiner Schlauheit ausschalten können? Oder ihm eine Falle stellen? Aber so … sehr unbefriedigend muss ich sagen.

Die Perlen der Bajar, Foto: M. D. Grand

Buchlogik und Handlung

Dazu kommt diese seltsame Buchlogik, die man bei Kinderbüchern ja manchmal gern vernachlässigen kann, aber die in diesem Kontext doch wieder so ein heimliches (beziehungsweise ganz laut hörbares) Stöhnen hervorgerufen hat: Junge kommt versehentlich in Akademie gestolpert, wird sofort mit wichtigen Aufgaben betraut, bekommt Schlüssel und Geheimnisse anvertraut, obwohl ihn keiner kennt und kann dann als einziger die Welt retten, weil… joa. Einfach so halt. Die Letzt-Argumentation in diesem Zusammenhang war ja ganz gut, aber in einem realistischen Setting hätte die Arbeit der ersten dreihundertfünfzig Seiten einfach wer anderer gemacht und dann für das letzte Stückchen hätten sie Nick mal kurz eingespannt mit seinen Fähigkeiten.

Auch sonst ist die Handlung meist zugunsten der (wirklich guten) Grund-Idee in den Hintergrund getreten, genauso wie die Charaktere.  Und das ist unglaublich schade, denn wie ich bei den Stärken schon erläutert habe, wäre da rein thematisch wirklich viel rauszuholen gewesen. Zum Beispiel ein Weltenkonstrukt wie bei Michael Ende, Komplexität, Beschreibungen, endlose Möglichkeiten… aber nein.

Mein Fazit:

Vielleicht als Kinderbuch? Ich weiß es nicht. Aber als Buch für Erwachsene und auch für Junggebliebene kann ich Die Perlen der Bajar* auf jeden Fall leider nicht empfehlen und auch nicht wirklich viel Gutes daran lassen. Dafür ist mir die Story, um die es ja eigentlich vordergründig gehen sollte, einfach zu flach und auch die Charaktere nicht stark genug, dass sie dieses Handlungsproblem noch hätten rausreißen können. Schweren Herzens deshalb nur zwei Sterne, und zwar für das Buch mit dem größten vergebenen Potential.

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Die Perlen der Bajar

Lars Mielke

Fantasy
Softcover, 418 Seiten

erschienen bei Chaospony Verlag

14. Oktober 2017

ISBN 978-3-981870343
14,00 € bei Amazon*

 

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